Am Donnerstag, 4. September 2025, lud PharmaKey.ch zum beliebten Refresher-Symposium live nach Olten ein. Zwei spannende Parallelprogramme für den Impf- als auch für den Anamnese-Refresher erwarteten die Teilnehmenden.
Rückblick auf erfolgreiche PharmaKey.ch Refresher-Symposien
Anamnese-Refresher – Nahrungsmittelunverträglichkeiten im Fokus
Nahrungsmittelunverträglichkeiten: Ein Überblick
Zum Auftakt gab Prof. Stephan Vavricka vom Zentrum für Gastroenterologie und Hepatologie in Zürich einen umfassenden Überblick über die Welt der Nahrungsmittelreaktionen. Er zeigte auf, dass viele Beschwerden, die Patientinnen und Patienten mit der Ernährung in Verbindung bringen, nicht immunologisch, sondern funktionell oder mikrobiell bedingt sind. Ein Schwerpunkt seines Referats lag auf der bakteriellen Überwucherung des Dünndarms (SIBO) – einer oft unterschätzten Ursache für Blähungen, Völlegefühl oder Konzentrationsstörungen („brain fog“). Vavricka stellte verschiedene Diagnosemöglichkeiten, wie Atemtests, und Therapieansätze vor – von gezielten Antibiotikatherapien bis hin zu Ernährungstherapie. Auch Laktose- und Fruktosemalabsorption sowie Zöliakie wurden thematisiert. Dabei warnte Vavricka vor der Tendenz zur Selbstdiagnose und pauschalen Diäten ohne fundierte Abklärung.
Nahrungsmittelunverträglichkeiten: Ernährung umstellen – ein hilfreicher Ansatz
Im zweiten Vortrag widmete sich Michèle Anklin, Ernährungsberaterin SVDE, den praktischen Aspekten der Ernährungsumstellung bei Intoleranzen und Reizdarmsyndrom. Sie erläuterte, wie die FODMAP- oder histaminarme Ernährung gezielt Beschwerden lindern kann – jedoch nicht als Dauerlösung, sondern als zeitlich begrenzte Phase. Anklin betonte, dass zu strikte Diäten Risiken bergen: Mangelzustände, Gewichtsverlust und soziale Einschränkungen seien häufige Folgen. Auch das Mastzellaktivierungssyndrom sowie das noch wenig bekannte Krankheitsbild ARFID (Avoidance Restrictive Food Intake Disorder) wurden angesprochen – eine Form der Essstörung, bei der Angst vor Beschwerden zu starkem Meiden von Lebensmitteln führt. Ihr Appell an Fachpersonen in der Apotheke: das Gespräch suchen und im Zweifelsfall nachfragen, wie lange und wie strikt sich Betroffene bezüglich der Ernährung einschränken; zum vorsichtigen Ausprobieren motivieren und betonen, wie wichtig eine vielseitige Ernährung für Körper und Psyche ist. Für den Alltag in der Apotheke gab sie praxisnahe Empfehlungen: Enzympräparate wie Laktase oder DAO können bei Einladungen oder Reisen hilfreich sein, während bei anhaltender Unsicherheit die Ernährungsberatung eine wertvolle Unterstützung bietet.
Probleme mit Gluten – eine zeitgemässe Betrachtung zu Zöliakie und Glutensensivität
Den Abschluss gestaltete Diana Studerus, MSc Nutrition & Dietetics und APD Gastroenterologie, mit einem fundierten Vortrag zu glutenbedingten Erkrankungen. Sie differenzierte klar zwischen Zöliakie, Weizenallergie und Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität (NCGS) – drei Krankheitsbildern, die im Alltag häufig verwechselt werden. Besonders praxisrelevant war die Frage, ob Weizenstärke in Arzneimitteln ein Risiko für Zöliakiebetroffene darstellt. Eine aktuelle Masterarbeit der Universität Basel zeigte, dass der Glutengehalt in Medikamenten minimal und klinisch unbedenklich sind – mit Ausnahme von Personen mit bekannter Weizenallergie. Eine klare Aussage diesbezüglich ist in der Beratung von Betroffenen in der Apotheke sehr hilfreich. Darüber hinaus präsentierte Studerus neue medikamentöse Ansätze, die künftig als Ergänzung zur glutenfreien Ernährung zum Einsatz kommen könnten, etwa Medikamente zur Glutenverdauung oder Immunmodulation. Besonders wichtig für die Beratung in der Apotheke waren ihr zwei Punkte: Zöliakie kann sich auch mit Symptomen ausserhalb des Gastrointestinaltrakts zeigen (z. B. anhaltender Eisenmangel) und ohne klare Diagnose soll keine glutenfreie Diät gestartet werden.
Fazit
Der Fortbildungsnachmittag in Olten zeigte eindrucksvoll, wie interdisziplinär das Thema Nahrungsmittelunverträglichkeiten ist – und wie wichtig die Rolle der Apotheke bei Früherkennung, Beratung und Motivation bleibt. Mit wissenschaftlichem Tiefgang, praxisnahen Fallbeispielen und lebhaftem Austausch bot der PharmaKey.ch Anamnese-Refresher 2025 eine wertvolle Wissensauffrischung.
Impf-Refresher – Neue Perspektiven auf Reisemedizin, Apothekenimpfungen und Impfschutz im Alter
Das Programm des Impf-Refreshers stand im Zeichen aktueller Entwicklungen rund um Impfungen – von neuen reisemedizinischen Impfstoffen bis hin zu den Herausforderungen des Impfens im Alter. Drei Experten gaben spannende Einblicke in Praxis, Wissenschaft und Public Health.
Neue reisemedizinische Impfungen gegen Dengue und Chikungunya
Zum Auftakt stellte Dr. Andreas Neumayr, Chefarzt am Zentrum für Tropen- und Reisemedizin, die neuesten Erkenntnisse zu Dengue- und Chikungunya-Impfungen vor. Beide Virusinfektionen breiten sich weltweit aus – betroffen sind zunehmend auch Touristinnen und Touristen aus der Schweiz. Neumayr zeigte die epidemiologische Entwicklung eindrücklich auf: Über 3,6 Millionen Denguefälle und 317’000 Chikungunyafälle wurden allein in den ersten acht Monaten des Jahres 2025 gemeldet. Damit rücken Impfungen in der Reisemedizin immer stärker in den Fokus. Für Dengue ist seit 2024 ein Impfstoff (Handelsname Qdenga) in der Schweiz zugelassen. Er schützt mit rund 80 % Wirksamkeit, birgt aber – insbesondere bei seronegativen Personen – ein gewisses Risiko für verstärkte Immunreaktionen (Antibody Dependent Enhancement). Das Schweizer Expertenkomitee für Reisemedizin empfiehlt daher die Impfung nur bei Personen mit nachgewiesener früherer Dengueinfektion. Für Chikungunya stehen zwei neue Impfstoffe (Handelsnamen Ixchiq, Vimkunya) kurz vor der Einführung in Europa. Beide zeigen hohe Antikörperantworten nach nur einer Dosis und gute Verträglichkeit. Empfohlen wird die Impfung künftig für Reisende ab 18 Jahren, die in Gebiete mit aktuellen oder wiederkehrenden Ausbrüchen reisen – insbesondere für ältere Personen oder bei längeren Aufenthalten.
Impfen in der Apotheke: Chancen, Grenzen und Zusammenarbeit
Der zweite Vortrag von Florian Sarkar, Fachapotheker in Offizinpharmazie und Inhaber des Fähigkeitsausweises FPH Impfen, widmete sich der Rolle der Apotheken im Impfprozess. Er zeigte praxisnah, welche Impfungen in welchen Kantonen erlaubt sind und welche Voraussetzungen gelten. Sarkar machte deutlich, dass Apothekerinnen und Apotheker inzwischen eine zentrale Rolle in der Impfstrategie einnehmen. Dank fundierter Ausbildung und zunehmendem Vertrauen der Bevölkerung können Apotheken wesentlich zur Steigerung der Durchimpfungsraten beitragen. Er betonte, wie wichtig es ist, Impflücken aktiv zu erkennen – etwa bei der Abgabe von Medikamenten, in der Reiseberatung oder bei älteren Kundinnen und Kunden. Besonders relevant seien derzeit die Impfungen gegen FSME, MMR, HPV sowie neue Empfehlungen zu Gürtelrose, Pneumokokken, Covid-19 und RSV. Auch die Zusammenarbeit mit Ärztinnen und Ärzten war Thema. Sarkar riet zu offener Kommunikation statt Konkurrenzdenken. Ein Blick in die Zukunft: Ab 2026 sollen Impfungen gemäss KLV von der Franchise befreit werden. Und ab 2027 ist geplant, dass Apotheken Impfungen direkt über die OKP abrechnen können – ein Meilenstein für die pharmazeutische Praxis.
Impftermin 65+ und Impfungen bei Immunsuppression
Den Abschluss bildete Dr. Svend Capol, Senior Consultant am Zuger Kantonsspital und Mitglied der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (EKIF). Sein Thema: Impfen bei älteren und immunsupprimierten Personen – eine Gruppe, die nach wie vor zu wenig geschützt ist. Capol erinnerte daran, dass die Durchimpfungsraten in der Schweiz bei älteren Menschen deutlich hinter den Zielen zurückliegen: Nur rund 32 % sind gegen Grippe geimpft, 10 % gegen Pneumokokken. Dabei können Impfungen das Risiko schwerer Komplikationen erheblich senken.
Er stellte die aktuellen Empfehlungen des Impfplans 2025 für die Altersgruppe 65+ vor:
- Influenza (jährlich, ab 75 Jahren Hochdosis-Impfstoff empfohlen)
- Gürtelrose (Herpes zoster) – zwei Dosen im Abstand von zwei Monaten
- Pneumokokken (einmalig, mit PCV20 bevorzugt)
- Covid-19 (saisonal, für Risikogruppen im Herbst/Winter)
- RSV (ab 75 Jahren oder 60–74 Jahren mit Vorerkrankungen)
- FSME (Auffrischung alle 10 Jahre)
Besonders eindrücklich: Die Grippeimpfung reduziert nicht nur Hospitalisationen, sondern senkt auch das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und Demenz. Ebenso hob Capol die Bedeutung der Herpes-zoster-Impfung hervor, deren Wirksamkeit über 90 % beträgt und über viele Jahre anhält.
Fazit
Die Teilnehmenden des Impf-Refresher 2025 erhielten praxisnahe Einblicke in aktuelle Impfempfehlungen und die neuesten wissenschaftlichen Entwicklungen in der Reisemedizin. Gestärkt mit neuem Know-How geht es nun zurück in den Apothekenalltag.